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Stirnparker nerven

Die Zeit für Kritiker der Elektromobilität wird immer härter.

Blickt man zurück um den Wendepunkt für die Elektromobilität zu definieren, dürfte die Diesel-Gate Affäre im Jahr 2015 sowie die Paris Motor Show in 2016, vergleichbar mit den Folgen des Atomunfalls in Fukushima und die Beschleunigung zur Energiewende in Deutschland sein.

Bei diesen prägenden Ereignissen blieb es aber nicht. Am 13.09.2016 urteilte (*2) das Verwaltungsgericht gegen die Stadt Düsseldorf , die Stickstoffoxid-Werte binnen 12 Monaten einzuhalten, ansonsten könnten Diesel-Fahrverbote ab Ende 2017 und die Einführung einer Blauen Plakette die Konsequenz sein. Für wen diese Argumente nicht reichen, ist im Gespräch dass der Steuervorteil (Subvention) von Diesel Kraftstoff abgeschafft wird und die Grünen einfordern, dass ab dem Jahr 2030 100% der Neuwagenzulassungen mit regenerativen Antrieben sein müssen. Hinzu kommt, dass  ZOE, LEAF, i3, GOLF, Ampera-e  ab Q1-2017 Reichweiten jenseits der 300 Km (NEFZ) ermöglichen, die im Alltag 230-350 Km realistisch zu erreichen sein werden. Diese Verdoppelung der Reichweite wurde jedoch nur mit minimalen Aufschlägen für größere Batterien kombiniert. Speicher werden schnell wettbewerbsfähig!

All diese genannten Marktentwicklungen führen dazu das Elektroautos alltagstauglich und wirtschaftlich werden. Für die mangelnde Ladeinfrastruktur wird ab 2017 eine 200 Mio. starke Förderung für öffentliche DC-Ladeinfrastruktur durch den Bund frei geschaltet.

All diese Marktereignisse führen gerade dazu dass die Elektromobilität exponentiell an Akzeptanz gewinnt.

Mit einer schnell wachsenden Anzahl von Elektrofahrzeugen, steigt auch der Bedarf an Ladelösungen für diese Fahrzeuge. Dieser Konflikt kann jetzt schon in Städten erlebt werden kann, die „free-float“ eCarSharing (*1) Autos anbieten. Die Fahrzeuge von DriveNow, Car2Go und MultiCity blockieren die geringe Anzahl an öffentliche AC-Ladesäulen.

Die Lösung für eine saubere und geräuschärmere Mobilität wird also zum Problem. Aber warum? Der Grund liegt an dem falschen Ansatz bei der Konzeption von Ladepunkte für die ersten Serienfahrzeuge Mitsubishi i-MiEV und Nissan LEAF. Die Ladesäulen wurden als „Stirnparker“ Ladepunkte konzipiert. Damit wurde signalisiert dass die Fahrzeuge lange parken müssen bis Sie weiterfahren können. Merkwürdig genug, konnten gerade i-MiEV sowie LEAF serienmäßig ab Werk mit 50 kW Gleichstrom (DC) sehr schnell geladen werden. Jedoch waren die Hersteller der Elektroautos, weder noch die Stromlieferanten oder Tankstellenbetreiber bereit 50.000 Euro an Ladetechnologie für so wenige Fahrzeuge zu investieren. Somit wurden bis 2015 alle CHAdeMO DC-Schnelllader als „Stirnparker“ ausgelegt.

Dieses Paradigma ist amperio bis heute ein großes Rätsel. Warum tanken seit Jahrzehnten Benzin- und Dieselautos unter einem Dach an Zapfsäulen die als Durchfahrtshalteplätze ausgelegt sind? Aber Elektroautos nicht?

Halten, nicht parken!

Sicherlich wurde die Elektromobilität lange als Randthema nicht ernst genommen, somit wurden Ladesäulen auch am Rand eines Parkplatzes gebaut. Auch mit welcher Technik Elektroautos überhaupt aufgeladen werden können wurde absichtlich oberflächlich kommuniziert. Ob über Wechselstrom an  der Schuko Steckdose mit 2,1 kW oder Daheim an der Wallbox mit 3,7 kW – kaum jemand hat über 50 kW Gleichstromladen gesprochen!

Natürlich können Elektroautos über das „Notladekabel“ an Millionen von Schukosteckdosen ohne weitere Investitionen geladen werden, denn jedes eAuto wird mit einem solchen Kabel ab Werk ausgestattet und Steckdosen gibt es bekanntlich genug. Aber ein Verbrenner wird ja auch nicht mit dem Gartenschlauch aus einem Fass getankt!

Wie sollen Elektroautos innerstädtisch aufgeladen werden, wenn diese 25% Marktanteil erreicht haben? Welches Geschäftsmodell ist wirtschaftlich und logistisch sinnvoll wenn 8 Million von 40 Millionen zugelassenen Fahrzeugen auf deutschen Straßen rein elektrisch fahren – ob auf der Autobahn oder in den Städten?

Genau an diesem Konflikt könnte die Akzeptanz der Elektromobilität in Großstädten scheitern, denn Menschen die keinen eigenen Stellplatz haben, können nicht laden. Somit verschließt man Millionen von potentiellen Nutzern vor der Option auf nachhaltige Mobilität zu wechseln, denn keiner kommuniziert dass Aufladen sogar einfacher und schneller als tanken sein kann. Stecker statt Rüssel ist die Botschaft.

Der Markt muss in Stationen und nicht in Säulen, und in Kapazität anstatt Auslastung denken.

Jede Stadt in Deutschland und besonders die mit erhöhten Stickstoff- und Kohlendioxidbelastung könnten mit „Drive-in“ Schnellladestationen wichtige Signale setzen, dass jeder auf Elektro umsteigen kann. DC Schnellladen ermöglicht 100 Km an Reichweite in 12-15 Minuten nachzuladen. Ab 2018/2019 sogar 200 Km Reichweite in 15 Minuten. Wenn in dieser Zeit gleichzeitig eine Besorgung erledigt werden kann, dann wird das Aufladen effizienter und sauberer als das Befüllen eines 40-60 Liter Tanks!

Wenn Bürgermeister, Wirtschaftsförderer und Klimaschutzmanager signalisieren dass mit dem Elektroauto der Nah- sowie im Mittelstreckenbereich abdeckt werden kann, weil 100-200 Kilometer an Reichweite in wenigen Minuten nachgeladen werden kann, erst dann werden Fahrten zwischen den Städten und  in die Innenstädte rein auch elektrisch umgesetzt.

Zwei wichtige Zielgruppen sollten zügig mit dem Vorteil des schnellen Nachladens angesprochen werden: die bereits beschriebenen CarSharing Autos und die Taxis. Beide haben gemeinsam dass diese Form der individuellen Mobilität eine geringe Anzahl an registrierte Fahrzeuge darstellt, jedoch überproportional viele Kilometer innerstädtisch fahren und dadurch wesentlich zur Luftverschmutzung beitragen. Entwickelt man für Taxis und CarSharing Betreiber attraktive Ladekonzepte, so würde eine Akzeptanz für einen rein elektrischen Antrieb erst möglich.

Amsterdam ist die Stadt mit der höchsten Anzahl an elektrischen Taxis. Über 180 Tesla Model S und 350 Nissan LEAF sind täglich im Einsatz. Auch Car2Go ist mit elektrischen smarts in Amsterdam aktiv. Diese Best Practice Beispiele beweisen dass die Umstellung klappen kann und dass DC-Schnellladen ein wesentlicher Beitrag dazu beiträgt, die Kosten für die Infrastruktur durch eine hohe Auslastung wirtschaftlich zu betreiben, gleichzeitig auch das Blockieren der Ladepunkte zu lösen. Ein Konflikt welches noch stark in Deutschland unterschätzt wird. Mit der wachsenden Anzahl an reinen eAutos wird aber die Unzufriedenheit der „first movers“ schnell einstiegen und damit verliert dieser Trend wichtige Botschafter.

(*1) Städte mit free-float Carsharing:

– Berlin, Stuttgart, Düsseldorf, Köln, München, Hamburg

(*2) Städte die von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) verklagt wurden und in den es Diesel-Fahrverbote geben könnte:

– Berlin, Stuttgart, Düsseldorf (Urteil 13.09.2016), Köln, München, Mainz, Bonn, Aachen, Limburg, Reutlingen, Gelsenkirchen, usw.